Freitag, 8. April 2022

Der holländische Maler Vincent van Gogh ...

Und dessen derzeitiges "Selbstwertgefühl" - das hatte eine schmerzhaft "verunstaltende Resignation" zur Folge.
Diese daraufhin weltweit als "Ohren-Tragödie" benannte Gegebenheit. -
Auch in Bezug darauf, hockten wir später nachdenklich gestimmt in einem Restaurant in der Innenstadt von Amsterdam - an einer der Grachten. - Damals: Der Robert Gernhardt und ich. -
Vorab waren wir gemeinsam, in recht aufschlussreich zu spüren bekommenen Stunden im Van-Gogh-Museum "gelustwandelt" - und saßen nun "eingedenk dessen" in diesem Lokal ...
"Dieses Ohren-Desaster hat sich meines Erachtens wohl doch folgendermaßen ereignet", meldete ich mich diesbezüglich zu Wort - und darum schenk mir doch bitte einmal aufgeschlossen Gehör“, versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erreichen. „Denn mit der folgenden Verserzählung ist es mir Wunsch eindeutig zu belegen, daß am 2. Januar 1889, in der südfranzösischen Stadt Arles, am späten Abend, am Place Lamertine ...“
„Ach ja: Der bemitleidenswerte Maler Vincent van Gogh - und diese dereinst erlittene, so brutal und unbarmherzig als eine Art Denkzettel vollstreckte Mißhandlung!“ unterbrach er mich derart bedeutungsvoll.
„Oha! Ein Denkzettel? Also demnach die zügellos aufflammende Art und Weise einer Strafmaßnahme. - Ist das jetzt tatsächlich ernstgemeint?“ schaute ich baß erstaunt fragend auf.
„Selbstverständlich!“ gab er mir forsch zu verstehen. „Der Vincent van Gogh wohnte ja derzeit in Arles mit dem oftmals erschreckend aufbrausenden Choleriker, dem Maler-Freund Paul Gaugin zusammen!“
„So war’s. - Na und?“ forschte ich angespannt nach.
„Nun denn, ich will das jetzt einmal folgendermaßen vergegenwärtigen: Der Vincent war eines Tages versessen darauf, von neuem ein im ländlichen Umkreis noch immer in einem leuchtenden Goldgelb aufscheinendes Sonnen-Blumenfeld malerisch kraft- und ausdrucksvoll auf die Leinwand zu bannen. 
Am Morgen darauf war er schon hochgestimmt sehr früh auf den Beinen. - Der Freund Gaugin lag noch in tiefem Schlaf.
Als Vincent dann seine Malutensilien zusammenpacken wollte, mußte er zutiefst erschrocken gewahr werden: kein Indischgelb und auch kein Kadmiumgelb vorhanden! Beide Tuben waren ausgequetscht leer! -
Nach einer alptraumartig durchlebten Schrecksekunde erinnerte er sich aber daran, daß Paul Gaugin neulich aus Paris unter anderem auch eine große Tube Indischgelb mitgebracht hatte. 
Gefühlsmäßig war ihm gewiß nicht wohl dabei, als er sich der Tube aus Pauls Malkasten bemächtigte.
Spätabends kam er dann heim - und begab sich sogleich freudig erregt nach oben ins Häuschen, das tagsüber in der freien Natur fertig gemalte Sonnenblumen-Bild erwartungsvoll in der Hand haltend.“
„Hm? - Robert, ich ahne nun fast schon Verhängnisvolles!“ beunruhigte mich der Verlauf seiner spannenden Geschichtsklitterung.
„Wohl wahr!“ informierte er weiter. „Denn im oberen Stockwerk wartete hinter der Tür seit langem ein wutschnaubend hin und her gehender Paul Gaugin auf den bisher ja noch immer nichtsahnenden Vincent! - Wütend riß er dem vertrauensselig dastehenden Freund das noch feucht schimmernde Bild aus den Händen, warf es zu Boden - und trampelte heftig darauf herum! Fluchend umklammerte er sogleich den Kopf seines sprachlos dastehenden Weggenossen, schlug zornentbrannt seine Zähne in dessen Ohr - und biß ...“
„Entschuldige Robert“, unterbrach ich ihn nun so bedeutungsgleich zurückdenkend. „Aber mir ist da soeben eine wohl kaum noch als kunstfertig zu betrachtende Nachäfferei der von Dir so atemberaubend geschilderten Fleischeslust eingefallen: Damals, dieser amerikanische Faustkampf-Athlet,  Mike Tyson genannt, der hat doch da einst gleicherweise seinem Gegner ...“
Eine von mir etwas dummdreist zum Ausdruck gegebene Geringschätzung dieser einstmals geschehenen Ereignisse im "Gelben Haus" in Arles. -
Hm? Ich hatte es "damit" anscheinend ein wenig zu weit getrieben ...
Denn kopfschüttelnd schaute mich Robert daraufhin an: „Mußt Du jetzt unbedingt solch banale Abgeschmacktheiten töricht hineinschleudern, in eine dereinst aufsehenerregende und wohl auch kunsthistorisch durchaus als inhaltsgewichtig zu bewertende Tragödie?“ beschwerte er sich. -  
„Ja, entschuldige meine "Geringschätzigkeit dessen", trotz allem schenk‘ mir bitte diesbezüglich noch einmal Gehör! Denn diese weltweit noch immer Mitgefühl anregende Ohren-Tragödie, sie hat sich ja seinerzeit wohl schwerwiegend sehr viel bösartiger zugetragen."
"Ach?" horchte er abwartend auf. "Ich befürchte nun ernsthaft, daß hinsichtlich dessen gleich eine abgrundtief grausame Veranschaulichung zu gewahren sein wird."
"Ja, so kann man's wohl kritisch betrachten", stimmte ich zu. "Theo van Gogh, der herzensgute Bruder des armen Vincent, er hat ja seinerzeit in Paris eine kleine Bilder-Galerie betrieben. Und am 4. Januar 1889 erhielt er postalisch geleitet dort un recommandée, einen eingeschriebenen Brief ausgehändigt; aufgegeben in der südfranzösischen Stadt Arles. - Ahnungslos öffnete er gleich darauf das Kuvert - und mußte schreckensbleich nun die folgende Androhung schlechthin zur Kenntnis nehmen:
   Cher Theo van Gogh, stand da einleitend geschrieben.
Des weiteren dann:
   Auch hier macht sich die Jahreszeit, mit ungewohnter Kälte breit.
   Doch sollten wir darob nicht klagen, das ist halt so, an diesen Tagen.
   Wir sehen Sie erstaunt verweilen, bei’m Überfliegen dieser Zeilen.
   Wenn Sie uns Ihre Gunst gewähren, läßt sich das kurzerhand erklären:
   Ihr Bruder sitzt in unserer Mitte! Und ihn betrifft auch diese Bitte:
   Wir möchten für den bunten Knaben, von Ihnen gerne Bares haben!
   Denn er gestand uns, unter Qualen, daß Sie seit Jahren für ihn zahlen.
   Da Sie ihn finanziell umhegen, kommt uns das nun auch sehr gelegen.
   Wenn Sie ihn wiedersehen wollen, dann sollten Sie mit uns nicht schmollen,
   sondern schnellstens für ihn löhnen! Das wollten wir nur kurz erwähnen.
   Der Vincent sagt gerade leise: Mein Bruder will bestimmt Beweise ...
   Na gut, das läßt sich alles machen, wir sind versiert in solchen Sachen!
   D’rum werden wir, zu Ihren Händen, sein linkes Ohr postalisch senden.
   Bedenken Sie, wir sind in Eile, sonst folgen dem noch andere Teile!
   Das wär’s für heut’, von hier aus Arles. Mit lieben Grüßen, stets Ihr Charles.
   -
Robert hat mir damals daraufhin schmunzelnd zugenickt, dann zuprostend sein Weinglas erhoben - und so "weinselig" formuliert: „Se non e vero, e ben trovato", wenn es nicht wahr ist, ist es doch gut erfunden. -
Damals, sich derart aufschlußreich offenbarend in Amsterdam ...
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